Francesco Petrarca

1304 – 1374           Italien

 

In Übersetzungen von

F. Werthing

 

 

Gedankenvoll, auf unbesuchten Fluren

schweif’ ich umher, mit leisen, trägen Schritten.

Mich locken nicht des Landmanns stille Hütten,

mich reizen nicht der Schäferinnen Spuren.

 

Ich hasse diese redenden Figuren!

Was hab’ ich unter ihnen nicht gelitten!

Dies Herz, von bitterm Gram so tief durchschnitten,

dies Herz sehnt sich nach unbesuchten Fluren.

 

Ach, nur der Berg, der Hain und diese Flüsse,

an deren Ufer oft mein Fuß verweilet,

die wissen nur, wie tiefer Gram mich quälet;

 

ich träume dann der süßen Liebe Küsse;

ich horche dann, was sie, die Herzen heilet,

mit lieblichem Geflüster mir erzählet.

 

 

 

Gesegnet sei der Tag, das Jahr, die Stunde,

wo sie in jenes schönen Frühlings Wehen

mein blaues heitres Aug zuerst gesehen;

wo ach, mein Herz zuerst die tiefe Wunde

 

empfangen, ich zuerst an ihrem Munde

nach himmlisch süßem, seligem Erflehen,

auf diesen freundlichen besonnten Höhen

geweihet ward der Liebe schönem Bunde!

 

Gesegnet alle tränenschweren Klagen,

die ich um sie, in unbesuchten Hainen

den aufmerksamen Nymphen oft gesungen!

 

Denn alles würd’ ich für die Teure wagen;

wes Augen um ein solches Mädchen weinen,

der hat des Erdenglückes Ziel errungen.

 

 

 

Die heitre Luft, die zwischen grünen Zweigen

hinsäuselnd, meine heiße Stirne kühlet,

mit leisem Wehn um meine Wangen spielet,

vor der sich Rosen und Jasminen beugen

 

und junge Veilchen sich süßduftend neigen;

sie kann den Gram, der meine Brust zerwühlet

die Qualen, die mein armer Busen fühlet,

die selbst im Schoße der Natur nicht schweigen,

 

das alles kann ihr leises Wehn nicht lindern!

In diesem Herzen brennt ein ewig Feuer,

das meines Lebens beste Kraft verzehret;

 

Elisens Kuß kann meinen Gram nur mindern,

ihr Wort allein, das gleich der mächt’gen Leier

des Mäoniden jedem Kummer wehret.

 

 

 

 

Wenn in das Meer der goldne Sonnenwagen

hinabsinkt, und die braune Nacht den Schleier

auf Wald und Fluren deckt, tönt meine Leier

nur ungehörte, bange, bittre Klagen!

 

An meinem armen jungen Herzen nagen

dann stille Leiden ungestörter, freier;

mich hört sie nicht; und ihr geliebter Treuer

kann seines Kummers Lasten nicht mehr tragen.

 

Dann ist der Himmel ihm, die Welt, die Erde,

das schöne Tal und die beblümten Fluren,

wo er sein liebes Mädchen sah, zuwider;

 

ihn flieht der Schlaf; er ruft dem Morgen: werde!

Der Morgen kommt, und die geliebten Spuren

sucht er umsonst, und weinet Klagelieder.

 

 

 

 

Der Lenz kehrt wieder; laue Weste schweben

um Blumenfluren und um Rosenbüsche,

indes sich aus der grünen Schlehdorn Nishe

mit frohen Liedern junge Lerchen heben.

 

Die Wiese lacht; ein allgemeines Leben

durchtönt die Luft und zittert in dem Fische,

und alles drängt sich zu dem großen Tische,

den Liebe und Natur der Schöpfung geben.

 

Für mich nur kehren schwere Seufzer wieder,

ach, um ein holdes Mädchen, deren Blicke

Italiens allmächt’gen Blicken gleichen.

 

Die Blumenflur, der Lerche frohe Lieder,

die schöne Rose, die zerstreut ich pflücke,

nichts kann den Gram von meiner Stirne scheuchen.